mein Model auf einer Maserknolle eines Mamuts in Baden Baden

Baumgeschichten

Eine Baumgeschichte von Heinz Körner aus dem Buch "Die Farben der Wirklichkeit"

Es war einmal ein Gärtner. Eines Tages nahm er seine Frau bei der Hand und sagte: Komm, Frau, wir wollen einen Baum pflanzen. .--- Wenn du meinst mein lieber Mann, dann wollen wir einen Baum pflanzen. Sie gingen in den Garten und pflanzten einen Baum. Es dauerte nicht lange, da konnte man das erste Grün zart aus der Erde sprießen sehen. Der Baum, der eigentlich noch kein Baum war, erblickte zum ersten mal die Sonne. Er fühlte die Wärme ihrer Strahlen auf seinen Blättchen und streckte sich ihnen hoch entgegen. Er fand es wunderschön auf der Welt zu sein und zu wachsen.

Schau sagte der Gärtner zu seiner Frau, ist er nicht schön unser Baum? Der Baum begann größer und höher zu wachsen und reckte sich immer weiter der Sonne entgegen. Er fühlte den Wind und spürte den Regen, genoss die warme Erde um seine Wurzeln und war glücklich. Und jedes Mal, wenn der Gärtner und seine Frau nach ihm sahen, ihm mit Wasser tränkten und ihn einen schönen Baum nannten, fühlte er sich wohl. Denn da war jemand, der ihn mochte ihn hegte, pflegte und beschützte. Er wurde lieb gehabt und war nicht allein auf der Welt. So wuchs er zufrieden vor sich hin und wollte nichts weiter als leben und wachsen, Wind und Regen spüren, lieb gehabt werden und andere lieb haben.

Eines Tages bemerkte der Baum, dass es besonders schön war, ein wenig nach links zu wachsen, denn von dort schien die Sonne mehr auf seine Blätter. Also wuchs er ein wenig nach links. Schau, sagte der Gärtner zu seiner Frau, unser Baum wächst schief, seit wann dürfen Bäume schief wachsen und dazu noch in unserem Garten? Ausgerechnet unser Baum! Bäume dürfen nicht schief wachsen. Seine Frau gab ihm natürliche recht. Hol also nun unsere Schere, denn wir wollen unseren Baum gerade schneiden. – Der Baum weinte--. Die Menschen, die ihn bisher so lieb gehabt hatten, denen er vertraute, schnitten ihm die Äste ab, die der Sonne am nächsten waren. Er konnte nicht sprechen und deshalb nicht fragen. Er konnte nicht begreifen. – Aber sie sagten ja, dass sie ihn lieb hätten und es gut mit ihm meinten. Und sie sagten, dass ein richtiger Baum gerade wachsen müsse. Er wuchs nicht mehr der Sonne entgegen. Ist er nicht brav, unser Baum? fragte der Gärtner seine Frau. Sicher, lieber Mann, du hast wie immer recht. Unser Baum ist ein braver Baum.

Der Baum begann zu verstehen. Wenn er machte, was ihm Spaß und Freude bereitete, dann war er anscheinend ein böser Baum. Er war nur lieb und brav, wenn er tat, was der Gärtner und seine Frau von ihm erwarteten. Also wuchs er jetzt strebsam in die Höhe und gab darauf acht, nicht mehr schief zu wachsen.

--Sieh dir das an, sagte der Gärtner eines Tages zu – wem? Unser Baum wächst unverschämt schnell in die Höhe. Gehört sich das für einen Baum? ---- Aber nein lieber Mann, das gehört sich natürlich nicht. Unser Nachbar meint, dass Bäume bescheiden sein sollen, ihrer wachse auch schön langsam. Der Gärtner lobte seine Frau, dass sie etwas von Bäumen verstehe und schickte sie dann die Schere holen,

Sehr lange weinte der Baum in dieser Nacht. Warum schnitt man ihm einfach die Äste, die dem Gärtnerehepaar nicht gefielen? Schau her Frau, sagte der Gärtner, wir können stolz sein auf unseren Baum. Und seine Frau gab ihm wie immer recht...........

Der Baum wurde trotzig. Nun gut, wenn nicht in die Höhe, dann in die Breite. Sie würden ja schon sehen, wohin sie damit kommen. Schließlich wollte er ja nur wachsen, Sonne, Wind und Erde fühlen, Freude habe und Freude bereiten. In seinem Innern spürte er ganz genau, dass es richtig war, in die Breite zu wachsen. Also wuchs er jetzt in die Breite.

Das ist doch nicht zu fassen. Stell dir vor, unser Baum wächst in die Breite und holte die Schere. Das könnte ihm so passen. Das scheint ihm ja richtig Spaß zu machen. So etwas können wir auf keinen Fall dulden. Und seine Frau pflichtete ihm bei: Das können wir nicht zulassen. Dann müssen wir ihn wieder zurecht stutzen.

Der Baum konnte nicht mehr weinen, er hatte keine Tränen mehr. Er hörte auf zu wachsen. Ihm machte das Leben keine rechte Freude mehr. Immerhin, er schien nun dem Gärtnerpaar zu gefallen. Wenn auch alles, keine rechte Freude mehr bereitete, so wurde er wenigsten richtig lieb gehabt, so dachte der Baum.

Viele Jahre später kam ein kleines Mädchen mit seinem Vater vorbei am Baum vorbei. Er war inzwischen erwachsen geworden, der Gärtner und seine Frau waren stolz auf ihn. Er war ein rechter und anständiger Baum geworden.

Das kleine Mädchen blieb vor ihm stehen. Papa, findest du nicht, dass der Baum traurig aussieht? Mmh, ich weis nicht, sagte der Vater. Als ich noch so klein war, wie du, habe ich so was noch sehen können. Aber der Baum sieht wirklich traurig aus. Das Mädchen sah mitfühlend den Baum an. Den hat bestimmt niemand richtig lieb. Schau mal wie ordentlich der gewachsen ist. Ich glaube, der wollte mal ganz anders wachsen, durfte aber nicht und deshalb ist er jetzt traurig. Vielleicht, antwortete der Vater, aber wer kann schon wachsen wie er will? --Warum denn nicht?--, wenn jemand den Baum wirklich lieb hat, dann lässt er ihn doch einfach wachsen, oder nicht? Er tut doch niemand was zuleide.

Erstaunt und auch erschrocken blickte der Vater sein Kind an. Weißt du, keiner darf so wachsen, wie er will, weil sonst die Anderen merken würden, dass auch sie nicht so gewachsen sind, wie sie wollten. Das verstehe ich nicht, Papa. Sicher Kind, du kannst das noch nicht verstehen. Auch du bist vielleicht nicht immer so gewachsen, wie du wolltest. Auch du durftest nicht.—Aber warum den nicht, Papa? Du hast mich doch so lieb und Mama auch, oder?  Der Vater sah sie eine Weile nachdenklich an, ja sicher, wir haben dich sehr sehr lieb. Dann gingen sie weiter.